Geschichte der Anti-Tabak- und Anti-Raucher-Bewegung – Das gescheiterte Rauchverbot

Im Gegensatz zum Alkoholkonsum – wo es niemals zu einem staatlichen Verbot kam – führten die europäischen Herrscher seit dem 17. Jahrhundert vielfach Tabakverbote ein. So wurde ab dem frühen 17. Jahrhundert erst in einer Reihe europäischer, dann auch in vielen deutschen Staaten und darüber hinaus ein Tabakverbot eingeführt. Der Genuss von Tabak wurde dabei – vor allem in nicht-europäischen Ländern – mit teilweise drakonischen Strafen belegt. Trotz extremer Bestrafungen, wie der Todesstrafe im Osmanischen Reich, ließ sich die Bevölkerung das Tabakrauchen aber nicht verbieten. Als sich deren Wirkungslosigkeit gezeigt hatte, wurden die Verbote wieder aufgehoben und durch hohe Tabaksteuern ersetzt. Die lebensreformerische Anti-Nikotin- und Anti-Tabak-Bewegung ersetzte ab Mitte des 19. Jahrhunderts den autoritär-restriktiven Ansatz durch einen pädagogischen.


Nachdem der Tabak im 16. Jahrhundert von Südamerika aus nach Europa eingeführt worden war, erließen Schweden und Dänemark 1632 die ersten Tabakverbote. Daraufhin folgten Verbote in einer Reihe anderer europäischer Länder. So ist für 1649 erstmals ein Tabakverbot im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation durch ein Edikt belegt, das den Genuss von Tabak in Kurköln mit Strafmaßnahmen belegte. Es folgten viele weitere Verbote seitens der deutschen Landesregierungen und Grundherren, so 1651 in Württemberg und 1652 in Kurbayern. Über Kursachsen und den Hochstift Bamberg breitete sich die Verbotspolitik ab 1653 weiter über das Deutsche Reich aus.

Anti Tabak: Motive der Tabakverbote

Im Westeuropa der frühen Neuzeit lassen sich unterschiedliche Motive für die Verbote von Tabakprodukten identifizieren. Das Hauptmotiv der Tabakverbote war die beträchtliche Brandgefahr, die durch das Rauchen entstand, da in der frühen Neuzeit vorwiegend Holz als Baumaterial verwendet wurde. Ein weiteres Motiv entstand durch fiskalpolitische Überlegungen. So wurden Tabakverbote oftmals in den Ländern eingeführt, die mangels Überseekolonien kein Tabak-Kapital aus Einfuhrzöllen und dem Reinimport schlagen konnten, sondern stattdessen mit dem Abfluss von Devisen zu kämpfen hatten. Allerdings spielten nicht nur finanzielle, sondern auch moralische Hintergründe eine Rolle. Kritiker aus Klerus und Adel prangerten die missbräuchliche Verwendung des Tabaks als Genussmittel statt als Heilmittel an. Die Verwendung als heilende Substanz blieb von den Verboten dabei natürlich ausdrücklich ausgeschlossen. Der Gebrauch von Tabak als Genussmittel allerdings konnte schlimme Folgen für die Raucher nach sich ziehen. nach oben ↑

Das Scheitern der Verbotspolitik trotz drakonischer Strafen

Darstellung eines rauchenden-Arbeiters in einem Portrait aus dem 18. Jahrhundert von Adriaen van Ostade Smoker
Rauchen: Ein beliebtes und billiges Genussmittel, das sich die Bevölkerung nicht verbieten ließ – Gemälde aus dem 18. Jahrhundert von Adriaen van Ostade

In Europa wurden Verstöße gegen die ausgesprochenen Rauchverbote meistens nur mit Geldstrafen, Verbannung und leichteren körperlichen Züchtigungen geahndet. In den nicht-europäischen Ländern, wo ebenfalls vielfach ein Rauchverbot ausgesprochen wurde, bestrafte man die illegalen Raucher wesentlich härter: Im Russland des 17. Jahrhunderts mussten Raucher mit dem Ausreißen der Nase oder dem Aufschneiden der Lippen rechnen. Der türkische Sultan ging noch weiter. Im Osmanischen Reich starben Raucher nicht nur an den Spätfolgen des Tabakkonsums, sondern mussten fürchten, wegen illegalen Rauchens hingerichtet zu werden.

Doch alle – teilweise drakonischen – Strafen nutzten nichts: Die Verbotspolitik blieb erfolglos. Das Verbot wurde vielfach unterlaufen und ignoriert, da die Zahl der Süchtigen wohl schon zu groß geworden war. So hoben die Herrscher die Einschränkungen des Tabakkonsums bald wieder auf. Von Beginn des 18. Jahrhunderts an setzte die Obrigkeit dem Tabak nur noch sporadisch Widerstand entgegen. Die Verbotspolitik wurde durch eine Besteuerung des Tabaks ersetzt, die das Ziel verfolgte, die Konsummengen zu beschränken. Weiterhin versuchten viele Landesherren, den Anbau und die Kultivierung der Tabakpflanze in den eigenen Ländern zu fördern. Die Rauchverbote an feuergefährlichen Orten wurden allerdings (bis heute) nicht aufgehoben. Durch die hohen Einnahmen des Staates aus Tabaksteuern ergab sich freilich ein zwiespältiges Verhältnis des Staats zur Tabakpolitik, das bis heute fortwirkt. Einerseits standen die staatlichen Organe offiziell weiterhin in Opposition zum Tabak. Andererseits förderte man vielfach auch die Produktion, den Konsum und den Handel aus finanziellen Interessen. nach oben ↑

Die moderne Anti-Tabak-Bewegung: Wider dem Tabakrauchen

Tabakverbotszeichen

Die moderne Anti-Nikotin-Bewegung ist von der historischen Forschung noch kaum untersucht. Als gesichert gilt, dass von Beginn des 18. Jahrhunderts an, nachdem der Staat dem Tabak nur noch sporadisch Widerstand entgegensetzte,  der Tabakkonsum stetig zunahm und in der (Alltags-)Kultur vieler Menschen, vor allem der niederen Gesellschaftsschichten, ständiger Begleiter wurde.

Erst Ende des 19. Jahrhunderts leitete der medizinisch-wissenschaftliche Fortschritt einen Umschwung in der medizinischen Bewertung des Tabaks ein. Nachdem zuvor fast keine Argumentationslinie auf die gesundheitsschädigende Wirkung gezielt hatte, wandelte sich nun die Wahrnehmung des Tabaks vom geschätzten Heilmittel hin zu einem gesundheitsschädlichen Stoff. Die Heeresleitungen warnten während des 1. Weltkriegs erstmals die Soldaten vor den negativen gesundheitlichen Folgen des Rauchens.

So reihte sich die moderne Anti-Nikotin-Bewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts in die lebensreformerischen Bestrebungen für einen gesünderen Lebensstil ein. In der Weimarer Republik reichten die Argumentationslinien der Tabak-Gegner von gesundheitlichen Einwänden bis hin zur Anlehnung an die Blut-und-Boden-Ideologie völkischer Kreise. Später geißelten die Nationalsozialisten während des Dritten Reichs das Tabakrauchen nicht nur als Gesundheitsgefährdung des deutschen Volks, sondern den Tabakanbau auch als Verschwendung deutscher Böden. Prof. Dr. Hermann Stanger hatte schon 1910 den „Bund deutscher Tabakgegner“ gegründet, der mit einem eigenen Bundeslied um Mitstreiter und gegen das Tabakrauchen warb. Zur Zeit der Weimarer Republik gründete sich auch in Österreich der „Bund deutscher Tabakgegner Österreichs“ nach deutschem Vorbild. Eine Analyse deren Vereinszeitschrift „Der Tabakgegner“ wäre lohnender Gegenstand der historischen Forschung, um die Wissenslücken um die moderne Anti-Nikotin-Bewegung zu beseitigen.

Literatur und Auswahlbibliographie
  • Walter: Der Deutsche Arbeiter-Abstinenten Bund (DAAB). S. 199.
  • Hess, Henner: Rauchen. Geschichte, Geschäfte, Gefahren. 1992.
  • Menninger, Annerose: Genuss im kulturellen Wandel. Tabak, Kaffee, Tee und Schokolade in Europa (16. – 19. Jahrhundert). 2008.
  • Sandgruber, Roman: Bittersüße Genüsse. 1995.