Das Grundgesetz – Die Geschichte der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland

Im Sommer 1948 arbeite der „Verfassungskonvent“ von Herrenchiemsee die Grundlagen der neuen Verfassung für die Bundesrepublik Deutschland aus: das Grundgesetz. Mit der Namensgebung „Grundgesetz“ sollte der provisorische Charakter bis zu einer Wiedervereinigung betont werden. Der Parlamentarische Rat – das provisorische Parlament der drei westlichen Besatzungszonen – verabschiedete das Grundgesetz im Mai 1949. Das Grundgesetz sollte vor allem die Fehler der Weimarer Verfassung vermeiden und die Grundlagen für politische Stabilität legen.

Bei der Ausarbeitung des Grundgesetzes (GG) wurden auch Vorgaben der Alliierten umgesetzt, welche die USA, England und Frankreich in den sogenannten Frankfurter Dokumenten festgelegt hatten. Neben verschiedenen historischen Vorläufern deutscher Verfassungen dienten diese Dokumente im Sommer 1948 als Grundlage für die Arbeit des  „Verfassungskonvents“. Er tagte auf Herrenchiemsee und entwickelte die Grundlagen der neuen Verfassung. Ein zentrales Ziel der Verfassungsväter bestand darin, Fehler der Verfassung der Weimarer Republik zu vermeiden. Aus gutem Grund: Die Unzulänglichkeiten der Weimarer Verfassung waren zumindest mitverantwortlich für die Katastrophe des Nationalsozialismus gewesen. Unter den Verantwortlichen auf Herrenchiemsee, die für einen neuen demokratischen Kurs Deutschlands sorgen sollten, stach besonders der Verfassungsrechtler und SPD-Mitglied Carlo Schmid heraus. Letztendlich verabschiedet der Parlamentarische Rat – das provisorische Parlament der drei westlichen Besatzungszonen – das Grundgesetz im Mai 1949. Die Voraussetzungen für die Gründung der Bundesrepublik Deutschland waren gelegt. nach oben ↑

Das Staatsoberhaupt und der Bundeskanzler

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Nicht immer nur freundlich lächelnd – Der neue starke Mann im Staat: Bundeskanzler Konrad Adenauer. Foto: CDU, Fotograf: Paul Bouserath | Lizenz CC by SA 3.0

Im Gegensatz zur Verfassung der Weimarer Republik beschränkten die Verfassungsväter zunächst das Staatsoberhaupt – nun Bundespräsident genannt – auf eine nahezu ausschließlich repräsentative Funktion. Neben der völkerrechtlichen Vertretung Deutschlands konnte der Bundespräsident nur im Falle parlamentarischer Krisensituationen wirklich politisches Gewicht entfalten. Eine solche krisenhafte Situation konnte beispielsweise ein Misstrauensvotum gegen den Bundeskanzler sein (siehe unten).

Zum neuen starken Mann (und später auch Frau) im Staat bestimmte das Grundgesetz nun den Bundeskanzler und stattete ihn mit sog. „Richtlinienkompetenz über die Grundlagen der Regierungspolitik“ aus. Was das in der Praxis bedeutete, hing freilich vom Regierungsstil des jeweiligen Kanzlers ab. Weiterhin bekam der Kanzler das Recht, Minister zu ernennen und zu entlassen. Diese Bestimmungen führten auch zur Entstehung eines neuen Machtzentrums: dem Kanzleramt. Dort existiert ein Referat für jedes Ministerium und jede Bundesbehörde, die den Kanzler über die aktuellen Entwicklungen in den Ressorts auf dem Laufenden hält. Nach Inkrafttreten des Grundgesetzes konnte der Bundeskanzler nur noch abgewählt werden, wenn im selben Wahlvorgang ein neuer Kanzler gewählt würde. Diesen Vorgang bezeichnete man ab sofort als „Konstruktives Misstrauensvotum“. Die dominierende Rolle des Kanzlers im politischen System der Bundesrepublik ließ die Zeitgenossen bald von einer „Kanzlerdemokratie“ sprechen. nach oben ↑

Föderalismus, Volksentscheide und Ewigkeitsklausel im Grundgesetz

Dem Ziel, eine zu starke Zentralisierung der Macht zu verhindern, diente der föderalistische Staatsaufbau der jungen deutschen Republik. Die – mit Ausnahme Bayerns – neu geschaffenen Bundesländer stattete das Grundgesetz mit ausgeprägten Kompetenzen v. a. in Verwaltungsaufgaben aus. Außerdem wurde mit Bundestag und Bundesrat ein Zweikammerparlament eingeführt. Der Bundesrat entschied fortan mit über Bundesgesetze, die auch die Länder betrafen.

Während der Bevölkerung in der Weimarer Republik durch Volksbegehren und Volksentscheide die Möglichkeit eingeräumt worden war, Gesetze direkt zu beschließen, vermeidet man in der Bundesrepublik plebiszitäre Elemente bis heute strikt – zumindest was die Bundesebene betrifft. Vor dem Hintergrund der Instabilität der Weimarer Demokratie beschränkte das GG die neue demokratische Ordnung auf einen rein repräsentativen Charakter. Eine weitere Neuerung des Grundgesetzes bestand in der Einführung der sog. Ewigkeitsklausel. Diese besagte, dass die bürgerlichen Grundrechte und der Föderalismus fortan auf demokratischen Wegen nicht mehr abschaffbar wären – auch mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament nicht. nach oben ↑

Das neue Wahlrecht im Grundgesetz

Mit der Verabschiedung des Grundgesetzes vollzogen die Väter des Grundgesetzes die Abkehr vom reinen Verhältniswahlrecht der Weimarer Republik, bei dem die Besetzung der politischen Posten genau dem Verhältnis der abgegebenen Stimmen entsprach. Die Tatsache, dass beispielsweise eine Partei, die bei Weimarer Parlamentswahlen 10 % der Stimmen erhielt, auch 10 % der Parlamentssitze bekam, hatte zu einer ständigen Aufsplittung der Parteienlandschaft geführt. Dies machte in der Weimarer Zeit eine stabile parlamentarische Demokratie nahezu unmöglich.

Mit dem Grundgesetz dagegen hielt das sog. „personalisierte Verhältniswahlrecht“ Einzug in das politische System. Dabei geben die Wahlberechtigte ihre Erststimme für einen Direktkandidaten und eine zweite Stimme für eine Parteiliste ab. Die Einführung der 5-%-Klausel sorgte ab 1953 für eine weitere Konzentration der Macht auf nur wenige Parteien. nach oben ↑

Die Parteien und das Grundgesetz

Nicht nur das neue Wahlrecht wirkte sich auf die alten und neu gegründeten Parteien der Bundesrepublik aus. Im Gegensatz zur Verfassung der Weimarer Republik, die den politischen Parteien keinen verfassungsmäßigen Auftrag zur politischen Willensbildung erteilte, macht das Grundgesetz recht eindeutige Aussagen zu den Aufgaben der Parteien. So schreibt es laut Artikel 21 fest:

Parteien haben eine Mitwirkung bei der politischen Willensbildung.

Allerdings ergänzt Artikel 38, dass die Abgeordneten der Parteien trotzdem nur ihrem Gewissen unterworfen sind:

Im Rahmen der repräsentativen Demokratie handeln Abgeordnete vollgültig für das Volk und sind nur ihrem Gewissen unterworfen und an Aufträge und Weisungen nicht gebunden.

An dieser Stelle macht das Grundgesetz also keine hundert Prozent eindeutigen Aussagen und Politikwissenschaftler schlussfolgern, dass die Väter der Verfassung einen Mittelweg zwischen Parteienstaat und rein ihren Wählern verpflichteten Abgeordneten suchten. Keine Kompromisse macht das Grundgesetz allerdings hinsichtlich des Demokratiegebots für die Parteien. So bestimmt der schon bekannte Artikel 21, dass die

innere Ordnung [der Parteien] demokratischen Grundsätzen entsprechen muss.

In diesem Sinne ist Artikel 21, Absatz zwei, des Grundgesetzes nur konsequent, der das Verbot von Parteien ermöglicht, die

in aggressiv kämpferischer Weise die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu zerstören suchen.

All diese Regelungen – vom neuen Wahlrecht bis hin zur Möglichkeit des Verbots von antidemokratischen Parteien – sorgten im Verbund mit anderen Maßnahmen dafür, dass die junge Bundesrepublik recht schnell Kurs auf eine stabile, demokratische Entwicklung nahm.