Katharina (II) Die Große – Eine deutsche Prinzessin auf dem russischen Zarenthron

Katharina die Große Gemaelde von Vigilius Eriksen

Katharina die Große ist nicht mehr. Der glänzendste Stern in unserer Hemisphäre ist untergegangen.

Charles Joseph de Ligne

Das russiche Zarenreich im Zeitalter der Aufklärung – im Mittelpunkt eine der bekanntesten Herrscherinnen der Moderne: Von einer willensstarken Reformerin und großen Fürstin bis hin zur unersättlichen Liebhaberin und grausamen Herrscherin. Viele Geschichten und noch mehr Bewertungen ranken sich um Katharina die Große (1729 bis 1796), Kaiserin von Russland. Doch wer war die Frau, die während ihrer Herrschaft das Reich nicht nur immens vergrößern konnte, sich gegen ihren Mann Kaiser Peter III. durchsetze und zur Kaiserin ausrufen ließ sondern auch u.a. das russische Bildungssystem und das Gesundheitswesen reformierte?

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1. Katharina die Große im Spiegel des 18. Jahrhunderts

Die Französische Revolution (1789), der Erste Schlesische Krieg (1740-1742) oder auch die russischen Kriegszüge gegen die Osmanen, bspw. in den Jahren 1736-1739: All diese Ereignisse lassen sich in das 18. Jahrhundert datieren und hatten zugleich einen großen Einfluss auf das Zarenreich im Zeitalter der Aufklärung. Neben der Ereignisvielfalt zeichnet das Russland des 18. Jahrhunderts jedoch vor allem dadurch aus, dass sich damals insbesondere Frauen an die Spitze der Macht positionierten. Nie zuvor und auch nicht in der Folgezeit sollten weibliche Herrscherfiguren über einen so langen Zeitraum die höchste Machtposition im Reich innehalten wie um 1700. 

Unter den weiblichen Würdenträgern jener Zeit ragt eine Persönlichkeit hierbei besonders hervor: Ekaterina II. (1729 bis 1796), welche unter dem Namen Sophie Auguste Friderike von Anhalt-Zerbst in Stettin das Licht der Welt erblickte. Ebenjene wurde 1745 als Braut an der Seite des zukünftigen russischen Thronfolgers Peter III. Fjodorowitsch (1728-1762), zur Großfürstin und ließ sich 1762 schließlich, ihren Mann absetzend, zur Zarin des Russischen Reiches ausrufen. Von allen Herrscherinnen stand Katharina die Große am längsten an der Spitze Russlands.

Ganze vierunddreißig Jahre – von 1762 bis 1796 – lenkte sie die Geschicke des Großreichs, stets angetrieben vom Ideengut der europäischen Aufklärung und der Absicht eines humaneren Herrschaftsstils. Ihr wird zeitlebens ein enormer Ehrgeiz nachgesagt, zugleich schrieb man der Kaiserin dennoch auch viele Liebesaffären und eine damit einhergehende Zügellosigkeit zu. Ob Katharina II. tatsächlich am russischen Hof ausschweifende Orgien veranstaltete und wie viele Liebhaber sie nachweislich hatte, bleibt jedoch fraglich und ihm Dunklen der Geschichte.

Fest steht: Die Regierungsjahre der Zarin (osteurop. Bez. für Kaiserin) zeichneten sich nicht nur durch eine gewisse Individualität und Freigeistigkeit aus, vielmehr zeigte sich die Herrscherin auch ganz allgemein offen gegenüber Neuerungen, die sie in ihr politisches Handeln stets mit einfließen ließ.  

Angesichts ihrer Verbundenheit zum westlichen Europa, der Aufklärung und einem Führungsstil, der sich durch ein hohes Maß an Durchschlagskraft auszeichnete, stellt sich darüber hinaus die Frage, wie Katharina, die aus einem eher unvermögenden Fürstenhaus stammte, es trotz ihrer zahlreichen Kritiker und Feinde am Zarenhof schaffen konnte, das Zepter ganze vierunddreißig Jahre in ihren Händen zu behalten? War es eine glückliche Fügung, ihr eiserner Wille oder doch ihre erotische Anziehungskraft, welche ihr die Türen zur Macht letztlich öffnete und bewahrte? Was macht Katharina II. anders als ihre Zeitgenossen? Und können wir mitunter sogar noch heute etwas von ebenjener Frau auf dem Zarenthron lernen? 

2. Der Anfang: Katharina reist mit ihrer Mutter von Zerbst nach Moskau (1744)

«Ich hatte mir immer grosse [sic!] Mühe gegeben, diese Tränen zu verbergen, die ich mir als eine Schwachheit vorwarf (…).»

Mit gerade einmal 14 Jahren trat Katharina die Große am 12. Januar 1744 ihre Reise nach Moskau an. Die damalige Kaiserin Elisabeth (1709-1762) selbst hatte die junge Prinzessin als geeignete Gattin für ihren Neffen und Nachfolger Peter III. auserwählt. Zum einen stand dahinter der Wunsch, die Nachfolge der Dynastie schlichtweg zu sichern. Darüber hinaus spielten andererseits auch außenpolitische Konfliktgelage und Unsicherheiten eine entscheidende Rolle, um letztlich die Stellung des russischen Hofes durch die deutsche Prinzessin zu stabilisieren.

Zu den bereisten Stationen gehörte neben Danzig, Königsberg und Memel auch Berlin. Mitte Februar 1744 erreichten Mutter und Tochter die russische Hauptstadt Sankt Petersburg. Da sich die Zarin jedoch zu dieser Zeit in Moskau aufhielt, reiste man weiter und erreichte das eigentliche Ziel wenige Tage später.

Binnen kürzester Zeit konnte Katharina die Kaiserin für sich gewinnen. Dies bestätigt auch ein Schreiben, welches ihre Mutter nach Zerbst an ihren Mann schickte. Darin berichtete sie, dass „[…] unsere Tochter […] hier einen sehr guten Eindruck [macht, d. Autorin]“. Auch der Großfürst und spätere Ehegatte von Katharina II. Peter Fjodorowitsch, freute sich über die Ankunft der Prinzessin. Er schenkte ihr anfangs viel Aufmerksamkeit. Nichtsdestotrotz bestand anscheinend schon zu diesem Zeitpunkt eine gewisse Abneigung Katharinas gegenüber dem Großfürsten. So gibt sie in ihren Memoiren an, bereits zu diesem Zeitpunkt mit großer Verwunderung sein Unwissen und sein fehlendes Urteilsvermögen wahrgenommen zu haben. Sie beschreibt ihn zudem als äußerst kindisch und albern. Ein Umstand, der noch in der späteren Ehe zu Konflikten führen sollte. Am 29. Juni im Jahr 1744 fand schließlich die Verlobung in der Mariä-Himmelfahrts[Uspenski-] Kathedrale in Moskau statt.

3. Katharina II. – Eine deutsche Prinzessin auf dem russischen Zarenthron

„Von allen Verbindungen, die man für mich in Aussicht genommen hatte, war dies die glänzendste [sic!].“

Am 21. August 1745 folgte schließlich eine prunkvolle Hochzeit – unter den Augen ganz Europas und des russischen Volkes. Die Hochzeit zwischen Katharina II. und ihrem Ehemann galt als die erste Vermählung eines Thronerbens in der neuen Hauptstatt Sankt Petersburg. Nicht nur erhoffte man sich durch die Hochzeit eine baldige Geburt eines Thronfolgers,  vielmehr nahm man die Hochzeit auch als eine Legitimation der Machtübernahme durch die Kaiserin Elisabeth wahr, die seit 1741 Zarin von Russland war.

Es zeigt sich, dass sich Katharina die Große bereits in jungen Jahren ihrer Stellung durchaus bewusst war und ihre Ziel, ungeachtet der persönlichen Belange, mit viel Ehrgeiz verfolgte. Schon zu diesem Zeitpunkt ihres Lebens stellte sie ihre Emotionen hinter ihre Ambitionen und persönlichen Ziele. So lernte sie beispielsweise besonders eifrig die russische Sprache, trat – trotz ihrer protestantischen Erziehung – rasch zum orthodoxen Glauben über und ließ sich auf den Namen Jekatarina II. Aleksejewna taufen. In ihren Memoiren offenbart sie: „Er [Peter III., d. Autorin] war mir angesichts seiner Veranlagung, ziemlich gleichgültig, nicht aber die russische Krone.“

4. Die Befreiung: Katharina stürzt den Kaiser (1762)

Die Ehe glich einem Martyrium. Was sich schon früh andeutete, gewann immer mehr an Gestalt: Katharina und Peter sollten keine glückliche Ehe führen. Zu groß waren die Differenzen zwischen den Ehepartnern. Vor allem die unreife Art des Ehegattens, der nun lieber seinen Spielzeugsoldaten Aufmerksamkeit schenkte als seiner Ehefrau, führte zu einer langen Zeit der Kinderlosigkeit. Zunehmend geriet Katharina die Große unter Druck: Man sah in ihr den Grund für die nicht vollzogene Ehe, also das Ausbleiben eines Thronfolgers. Fortan überwachte man Katharina. Sie durfte den Palast nicht mehr verlassen, man las ihre Briefe und nachts sperrte man das Ehepaar in ihre Schlafgemächer ein. Katharina versuchte sich angesichts dessen abzulenken. Sie interessierte sich für (politische) Literatur, liebte das Reiten und wollte über alle Vorgänge in ihrem Reich informiert sein.

Mit 23 Jahren traf Katharina II., nach sieben Jahren der Abstinenz, schließlich auf Sergej Saltykow, einen Mann aus wohlhabenden Verhältnissen, der ihr Avancen machte. Er war mit einer der Hofdamen der Großfürstin verheiratet. Protestantisch erzogen, lehnte Katharina Ehebruch jedoch ab. Dennoch gebar sie am 20. September 1754 Pawel Petrowitsch (1754-1801). Peter wusste wohl, dass nicht er der Vater sein konnte. Nichtsdestotrotz akzeptierte er das Kind als das Seine. Gleiches gilt auch für Anna Petrowna (1757-1759), das zweite Kind Katharinas, welches sie mit Stanislau Poniatowski, einem polnischen Diplomaten, zeugte.  Kaiserin Elisabeth wurde hingegen zu dieser Zeit immer kränker und verschwand immer häufiger in ihren Gemächern. Im Jahr 1761 starb sie schließlich. Fortan bestieg Peter III. den Thron. Seine Herrschaft sollte lediglich sechs Monate lang andauern, bevor seine Frau ihn stürzte. Wirklich beliebt war der neue Kaiser bei seinem Volk nicht, insbesondere da er alles Russische ablehnte.

Sein großes Vorbild war Friedrich der Große (1717-1786), König von Preußen. Peter III., der alles Preußische liebte, ersetzte bspw. die grünen und roten Uniformen seiner Armee durch Blaue – die Farbe Preußens. Mit dem Vorhaben, das vor gut 50 Jahren verlorene Schleswig wieder zurückzuerobern und seine Soldaten und dem Befehl seines Holsteiner Vetters kämpfen zu lassen, brachte er schließlich die Russen vollkommen gegen sich auf. Das Fass war übergelaufen. Sein Volk lehnte den Kaiser ab, der jede Warnung von außen ignorierte und sich in Sicherheit wähnte. Diese Ausgangslage nutzte Grigorij Orlow, ein weiterer Geliebter und Gardeoffizier von Katharina II., für sich. Er und sein Bruder unterstützten die Kaiserin in dem Vorhaben, den Kaiser zu stürzen. Katharina wusste, dass sie handeln musste oder, zusammen mit ihrem Ehemann, untergehen sollte.

Am 28. Juni 1762 fuhr sie zuletzt, begleitet von den beiden Männern, zu den Kasernen der Regimenter und berichtete ihnen, dass Peter III. sie und ihren Sohn umbringen wollen würde. Sie aber käme nicht aus Furcht um ihr Leben und das ihres Sohnes – ihre Tochter war inzwischen verstorben – zu ihnen sondern alleine zur Rettung des Reiches, welches ihr am Herzen läge. Die Soldaten leisteten ihrer zukünftigen Kaiserin, die Unfähigkeit ihres Kaisers wahrnehmend, daraufhin den Treueeid. Anschließend reiste Katharina die Große weiter zur Kathedrale der Muttergottes von Kasan, denn sie brauchte auch die Zustimmung der Kirche für ihre Ausrufung. Im Jahr 1762, Katharina war nun 33 Jahre alt, stand die Zarin schließlich an der Spitze der Macht. Ihr Ziel war erreicht. Sie war nun Alleinherrscherin (Autokratin) über ganz Russland. Ihr Mann setzte sich nicht groß zur Wehr. Man nahm ihn in Gewahrsam. Am 17. Juli 1762 starb Peter III. in Ropscha bei Sankt-Petersburg. Die Umstände sind bis heute nicht gänzlich geklärt. Ein Mord ist dennoch äußerst wahrscheinlich.

5. Die Konsolidierung: Die Zarin modernisiert Russland

5.1 Innenpolitik

Katharina befand sich nun an ihrem Ziel. Sie alleine hatte jetzt die Krone inne und konnte völlig selbstständig über die Zukunft Russlands entscheiden. Um Russland maßgeblich voranzubringen und mit den Regierungsgeschäften beginnen zu können, musste sie zunächst jedes Detail kennen. Russland war jedoch groß und selbst der Senat, ein Kollegium aus dreißig erfahrenen Männern, konnte ihr nicht einmal benennen, wie viele Städte das Russische Reich zählte. Und auch die finanzielle Situation des Reiches konnte man nur grob abschätzen. Fest stand dennoch: Der Siebenjährige Krieg (1756-1763) hatte das Land geschwächt. Hungersnöte und Krankheiten suchten das Reich heim und der Kredit war so schlecht, dass die Niederlande ein Darlehen von zwei Millionen Rubel, welches bereits die Zarin Elisabeth aufnehmen wollte, ablehnte. Es stellte sich heraus, dass der Staatshaushalt zur Zeit Katharinas einen Fehlbetrag von etwa sieben Millionen aufwies. Die Kaiserin erschrak zutiefst, wusste aber auch, dass ihre erste Amtshandlung darin bestehen musste, den Wohlstand des Staates zu mehren. Da Russland seit jeher ein Agrarstaat war, setzte sie dort an. Sie schickte demzufolge zunächst Fachleute aus und ließ die Böden eingehend prüfen, um geeignete Anbauten empfehlen zu können. Sie kaufte darüber hinaus moderne landwirtschaftliche Maschinen aus England und ließ die Tabakplantagen in der Ukraine maßgeblich vergrößern. Hohe Erträge belohnte sie zudem mit Prämien. Darüber hinaus führte Katharina II. auch neue Methoden für die Schaf- und Rinderzucht ein. Ein wichtiger Bestandteil hinsichtlich des russischen Reichtums waren außerdem seit jeher Pelze gewesen. Die Kaiserin förderte daraufhin insbesondere den Pelzhandel in Sibirien und sandte Jagdexpeditionen auf die erst kürzlich entdeckten Aleuten-Inseln. Die dort erbeuteten Seeotterpelze spülten bis zu zweihunderttausend Rubel in die Staatskassen. Auch hinsichtlich des Außenhandels sorgte die Monarchin für Neuerungen, indem sie bspw. die Exportzölle abschaffte.

Katharina glaubte zudem an die Kraft einer guten Erziehung und vor allem an Bildung zum Wohle des Volkes. Angesichts der damaligen Lage – Russland verfügte über kein Schulsystem – stieß die Autokratin nämlich auf eine erschreckende Unwissenheit innerhalb ihres Landes, was sie als den Hemmschuh eines jeden Fortschritts begriff. Um Russland an die Weltspitze zu katapultieren, musste sie in Folge dessen auch diesem Problem angemessen begegnen. Im Jahr 1764 schrieb sie also ein „Generalstatut für die Erziehung der Jugend beiderlei Geschlechts“. Sie setzte Regeln fest, die eine Ausbildung eines Schulsystems zur Folge hatten. Besonders bemerkenswert: Katharina die Große unterschied hierbei nicht zwischen Jungen und Mädchen. Der Staat sollte fortan beide Geschlechter gleichermaßen fördern und unterstützen – und das nicht nur durch Bücherwissen, sondern auch in Form von einer allgemeinen Charakterschulung. Die Kaiserin führte folglich u.a. eine Volksschule ein. Der Besuch basierte auf freiwilliger Basis und war kostenfrei.   

Genauso wie hinsichtlich des Bildungssystems herrschten auch im Gesundheitswesen defizitäre Verhältnisse. Besonders die hohe Kindersterblichkeit, bspw. durch die Pocken, bereitete der Zarin Sorgen, woraufhin sie englische Experten in ihr Land einlud, um sich später selbst impfen zu lassen. Die Zarin begriff sich hier auch als Vorbild für ihre Untertanen. Außerdem kaufte sie diverse Häuser in St. Petersburg und Moskau auf und richtete sie zu Impfstationen her. 1763 gründete sie des Weiteren eine erste medizinische Hochschule in Russland, um die Forschung im Land in einem hohen Maß voranzutreiben.

Obwohl Katharina die Große von ihren Kritikern oftmals als die „Messalina des Nordens“ bezeichnet wurde und man sie somit in eine direkte Verbindung mit ebenjener antiken Kaiserin setzte, die für ihre Grausamkeit und Sittenlosigkeit berüchtigt war, weist der Herrschaftsstil der Kaiserin deutlich humane Ansätze auf: Ein besonders wichtiger Anliegen war ihr damals, die Lebensbedingungen von Leibeigenen zu verbessern. So sollten bspw. Waisen und Findlinge nicht mehr automatisch zu Leibeigenen der Menschen werden, die sich ebenjener annahmen. Darüber hinaus sprach sich Katharina auch gegen die Todesstrafe aus und erließ 1763 ein Edikt, welches Folter bei Strafprozessen untersagte. Auch setzte sie sich für eine allgemeine Religionsfreiheit ein.

Es zeigt sich: Die Monarchin hatte vor allem ein Herz für die Benachteiligten in ihrem Staat. Auf ein Vorsatzblatt eines ihrer Lieblingsbücher (Fénelons Télémaque) schrieb sie: „Sei gütig, menschlich, mitfühlend und freigiebig: deine hohe Stellung soll dir nicht im Wege stehen, dich um die Armen und Niedrigen zu kümmern und dich in ihre Lage zu versetzen.“ Und fürwahr konnte Katharina die Not der Schwachen in ihrem Land alleine schon deshalb gut nachvollziehen, da sie jahrelang selbst eine Unterdrückte und Gefangene in ihrem eigenen Palast war.

5.2 Außenpolitik

Der Kaiserin ging es nicht um eine Europäisierung Russlands. Vielmehr wollte sie die Position Russlands stärken und ihr Reich zur alleinstehenden Weltmacht ausbauen. Um dies zu erreichen, las sie landwirtschaftliche Lektüre oder Berichte von Seefahrern. Sie soll sich sogar mit der dänischen Gesetzgebung befasst haben. Trotz ihrer außerordentlichen Bildung, stellte sie sich jedoch nicht über ihre Mitmenschen. Sie vermied es, übermäßig prunkvoll aufzutreten – trotz ihrer politischen Erfolge, welche sie auch außerhalb der russischen Grenzen verzeichnen konnte. Zu ihren größten Errungenschaften zählen mitunter die Lösung der Polenfrage sowie die Feldzüge gegen die Türken (Osmanen).

Russland teilte mit Polen eine etwa 1.500 Kilometer lange Grenze. 1773 schloss sie sich mit Friedrich II. zusammen. Polen unterlag den beiden Mächten und es kam zur Teilung Polens. Preußen erhielt das polnische Pommern, Katharina wiederrum den orthodoxen Teil des Nachbarlandes. 1793 kam es zu einer weiteren Teilung. Zwei Jahre später wurde Polen ein drittes Mal geteilt. Katharina hatte sich nun die Barriere zwischen Europa und Russland gesichert.

Als nächstes wandte sich die Kaiserin ihrem erbitterten Feind, den Osmanen, zu. Schon vier Mal zuvor hatte Russland Krieg gegen die Türken geführt. Dieses Mal, in den Jahren 1768 und 1774, sollte Russland jedoch die Südukraine, den Nordkaukasus und die Krim für sich beanspruchen können. Früher eher spärlich gerüstet, hatte sich die russische Flotte nun zu einer ansehnlichen Streitmacht entwickelt. Katharina beschloss folglich auch zur See, gegen die Türken zu ziehen. Sie schickte ihre Schiffe demnach über Westeuropa durch den Ärmelkanals, über die Straße von Gibraltar bis hin ins östliche Mittelmeer. Unter dem Regiment von Alexej Orlow, der ihr schon damals beim Kaisersturz zur Seite stand, vollführte die russische Streitmacht einen beeindruckenden Sieg und vernichtete die osmanische Flotte. Kein Schiff konnte entkommen Auf türkischer Seite fielen 9000 Männer bei der Seeschlacht von Tschesme. Die russische Seite verlor lediglich 30 Mann.   

6. Katharina und ihre Liebhaber

Die Forschung ist sich nicht völlig sicher, wie viele Liebhaber Katharina die Große wirklich gehabt hat. Fest steht dennoch: Die Kaiserin umgab sich gerne und oft mit wechselnden Partnern. Ein Novum für die damalige Zeit, da insbesondere Frauen nicht offen ihre Sexualität ausleben konnten, noch durften. Ein offener Umgang mit der eigenen Lust galt damals als verpönt, anrüchig und unschicklich. Schlimmstenfalls drohte der gesellschaftliche Ausschluss. Aus dieser Sichtweise resultierend, sprach man auch außerhalb Russlands äußerst abwertend über die angebliche Sittenlosigkeit der russischen Kaiserin. So soll Maria Theresia, die Kaiserin von Österreich, Katharina nur als „cette femme“, also „diese Frau“, bezeichnet haben.  

Bis zu ihrem Tod, im Alter von 68 Jahren, umgab sich die Monarchin vor allem mit jungen Männern, die sie stets großzügig beschenkte und selbst nach einer Trennung äußerst einfühlsam behandelte. Wichtig hervorzuheben ist, dass Katharina die Große jedoch Russland dabei stets priorisierte. Sie stellte ganz klar die Politik und die Belange ihres Reiches vor ihre eigenen Emotionen und Bedürfnisse. Sie ließ sich nicht in die Karten spielen, noch von einem Mann leiten. Zwar betraute sie ihre Liebhaber manchmal mit politischen Ämtern, nichtdestotrotz behielt sie die Zügel stets in den eigenen Händen. Der wohl emotional wichtigste Mann an der Seite von Katharina II. war der russische Feldmarschall Grigorij Potemkin, den sie 1774 wohlmöglich sogar heimlich heiratete. Ihren „zärtlichen Gemahl“, wie ihn Katharina in Briefen bezeichnete, beauftragte die Monarchin bspw. damit, die neu erworbenen Gebiete in der Südukraine zu entwickeln und letztlich auch zu verwalten. In die Regierungsgeschäfte Russlands durfte sich jedoch weder Potemkin noch sonst ein anderer ihrer Liebhaber einmischen. 

7. Der Tod: Eine Autokratin stirbt. Russland trauert.   

„Katharina die Große ist nicht mehr. Der glänzendste Stern in unserer Hemisphäre ist untergegangen.“

Charles Joseph de Ligne

Katharina die Große war Vieles: Eine weitsichtige Visionärin, eine mutige Reformerin und eine leidenschaftliche Frau, die sich gesellschaftlichen Konventionen widersetzte und sich nach vielen Jahren der Gefangenschaft, die Freiheit nahm, ihre eigene Leidenschaft und Sexualität auszuleben. Außerhalb von Russland verspottete man die unersättliche Kaiserin, welche, so munkelte man später, durch den Geschlechtsverkehr mit ihrem Pferd ums Leben gekommen sei. Katharina die Große war jedoch deutlich mehr, als die Geschichten und Gerüchte um ihre Person zunächst vermuten lassen: So war sie vordergründig eine Monarchin, die sich stets für die Benachteiligten in ihrem Land einsetzte und für ihr Land an vorderster Front kämpfte. Ihr Aufstieg basierte sicherlich auch auf glücklichen Umständen. Die Krone und das Zepter konnte sie jedoch nur aufgrund ihres enormen Ehrgeizes und ihrer Willensstärke erlangen und schließlich vierunddreißig Jahre für sich beanspruchen. Ein entscheidender Aspekt ist hierbei sicherlich auch gewesen, dass Katharina fortlaufend offen gegenüber Neuerungen eingestellt war. Nur so konnte sie dem geschwächten Russland schließlich zum Aufstieg verhelfen. Vor allem investierte sie hierbei viel Energie in den Ausbau des Bildungssystems ihres Landes als auch in die Landwirtschaft und das Gesundheitswesen Russlands.

Ein weiterer wichtiger Faktor weswegen Katharina die Große solch eine lange Zeit das Zepter in ihren Händen behielt, liegt auch in ihrer Person begründet, wenn es um ihre Liebschaften geht. Katharina war eine starke Persönlichkeit und nach den Erfahrungen aus ihrer desaströsen Ehe wusste sie, dass kein Mann mehr an der politischen Spitze Russlands neben ihr stehen sollte. Obwohl die Monarchin wahrscheinlich 1774 ihren Geliebten heimlich heiratete und somit viel für ihn empfand, blieb sie dennoch Alleinherrscherin in ihrem Reich. Katharina II. verstand es die ganzen vierunddreißig Jahre über, ihre Privatperson von ihrer politischen Figur zu trennen. Sie wählte vordergründig Russland und nicht die Liebe.

So gesehen war Katharina die Große also kein leidenschaftlicher Mensch. Sie verstand es, ihre eigenen Gefühle zu regulieren, um ihre Ziele zu erreichen. Interessant ist auch, mit dem Blick in ihre Memoiren, dass sie sich niemals hinsichtlich des Todes ihres Gatten rechtfertigte. Anders als in Liebesangelegenheiten, erscheint die Zarin, wenn es um die Belange Russlands ging, also deutlich abgeklärt.

Am 17. November 1796 starb Katharina die Große letztlich an einem Schlaganfall. Die englische Zeitschrift Gentleman´s Magazine, übrigens eine der ersten Nachrufe jener Zeit, bezeichnete Katharina als „große Fürstin“, der die „bedeutendste aller Revolutionen in der Geschichte der Menschheit [gelungen war, d. Autorin], nämlich die Zivilisierung eines so großen Teiles der Erdbevölkerung und die Kultivierung der wildesten und unerschlossensten Einöden.“     Und in der Tat war Katharina eine große Fürstin und eine beeindruckende Persönlichkeit: Demzufolge überzeugte sie nicht nur im Hinblick auf ihre innen- und außenpolitischen Erfolge. Katharina II. sticht auch hinsichtlich ihrer religiösen Toleranz, ihrer Fürsorge für die Schwachen, ihrer Bescheidenheit und ihrer in allen Lebensbereichen gelebten Authentizität aus der Masse anderer Herrscherfiguren hervor. Zahlreiche Eigenschaften ihres Herrschaftsstils und ihrer Person, machen die Zarin also letztlich vor allem zu einem Vorbild. Ein Vorbild, welches auch heute noch – angesichts unserer turbulenten Zeit – von großer Bedeutung ist.

Literatur und Auswahlbibliographie