Geschichte von Guantanamo Bay: Vom Vorposten des Kalten Krieges zum Gefangenenlager

Der Militärstützpunkt der US Navy Guantanamo Bay auf Kuba kann auf eine wechselreiche Geschichte zurückblicken. Das 2002 in aller Eile von der Regierung George W. Bush aufgebaute Strafgefangenenlager im Zuge des „Kampfes gegen den Terror“ nach den Anschlägen von 9/11 ist heute zum internationalen Streitpunkt geworden, der für Folter und Menschenverachtung steht, ein teilweise rechtsfreier Raum.

1. Die Vorgeschichte von Guantanamo Bay

Was ist Guantanamo? Die besondere Geschichte von Guantanamo Bay reicht dabei zurück: Ursprünglich wurde Kuba von spanischen Kolonialisten unter Christoph Kolumbus 1494 erobert. Im Verlauf des spanisch-amerikanischen Krieges 1898 versuchte die US-Regierung mit Erfolg, die spanische Hegemonie in Lateinamerika zu brechen. Auch die Unabhängigkeitsbewegungen auf Kuba wurden dabei unterstützt. 1902 wurde die kubanische Republik ausgerufen, wobei die Regierung jedoch unter starkem Einfluss der Regierung der Vereinigten Staaten stand und von Analysten deswegen auch als Marionettenregierung bezeichnet wird.

Guantanamo Bay, die im Südosten rund 22 Kilometer in die Insel hineinragt, stellte dabei einen wichtigen Hafen dar, um den Nachschub für Flottenoperationen in der Region zu gewährleisten. 1903 wurde zwischen Kuba und den USA ein Pachtvertrag abgeschlossen, der die Oberhoheit des Gebiets den US-Amerikanern überließ. Dieser Pachtvertrag ist seit langer Zeit rechtlich umstritten. Während die kommunistische Regierung unter Fidel Castro betont, dass es sich um einen völkerrechtswidrigen Vertrag handele, der im Übrigen nach 100 Jahren abgelaufen sein sollte, hält die US-Regierung dagegen, dass die Vereinbarung auf unbefristete Zeit abgeschlossen worden sei. Der rechtliche Status von Guantanamo Bay bleibt deswegen ungeklärt.

Als Fidel Castro und seine Revolutionäre 1959 die von den USA abhängige Regierung stürzten und die kommunistische Republik Kuba ausriefen, wurde auch der Pachtvertrag für Guantanamo Bay als ungültig erklärt und Zahlungen für die Pachtleistungen nicht mehr entgegengenommen. Dabei wurde die 117,6 Quadratkilometer große Flottenbasis plötzlich auch zur Frontlinie im Kalten Krieg. Mit der Kuba Raketen-Krise von 1961 unter John F. Kennedy eskalierte die Auseinandersetzung zwischen den Supermächten USA und Sowjetunion und artete beinahe in einen Atomkrieg aus.

2. Guantanamo Bay heute

Heute sind in der Guantanamo Bay Naval Base immer noch 9.000 US-Soldaten stationiert. Daneben ist die Basis das zweitgrößte Minenfeld der Welt und Ort des Strafgefangenenlagers, wo von der US-Regierung als besonders gefährlich erachtete Terrorverdächtigte zum Teil über viele Jahre hinweg ohne Prozess festgehalten wurden und immer noch werden. Dabei dringen immer wieder Nachrichten von Menschenrechtsverletzungen an die Öffentlichkeit. Folter wie das berüchtigte „Waterboarding“, Isolationshaft, tagelange Verhöre, sexueller Missbrauch und psychologische Demütigungen wie Koran-Schändungen durch Wärter sind dabei nur einige der Vorwürfe.

Guantanamo Bay 1991: Der Flugzeugträger USS Lexington verlässt die Basis
Der Flugzeugträger USS Lexington vor Guantanamo Bay 1991

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International fordern deswegen seit Jahren, das Gefängnis zu schließen. Außerdem wenden Kritiker ein, dass gerade die Existenz eines Strafgefangenenlagers wie Guantanamo Bay Dschihadisten neue Rekruten in die Arme treibe und die weltweite Terrorgefahr erhöhen würde. Auch Barack Obama betonte bei seinem Amtsantritt: „Die Existenz von Guantánamo hat wahrscheinlich mehr Terroristen auf der Welt geschaffen, als jemals dort inhaftiert wurden.“ Das Lager steht zusammen mit dem gesamten Stützpunkt unter dem Kommando der „Joint Task Force Guantanamo“.

3. Struktur des Gefangenenlagers

Das – auch als engl. „detention camp“ bezeichnete – Strafgefangenenlager auf Guantanamo Bay für die Gefangenen ist in folgende Sektionen gegliedert:

3.1 Camp X-Ray

Es handelt sich um die Sektion des Lagers, das zuerst errichtet wurde: Hier waren von Januar 2002 bis April 2002 bis zu 320 Gefangene interniert. Camp X-Ray (deutsch: Röntgenstrahl), das mittlerweile geschlossen wurde, bestand aus Käfigen, in denen die Häftlinge der prallen kubanischen Sonne ausgesetzt waren und keinerlei Privatsphäre besaßen, da die vergitterten Zellen von allen Seiten einsehbar waren.

3.2 Camp Delta

Camp Philips in der Guantanamo Bay

Weil das Gebiet Camp X-Ray nicht genügend Kapazitäten aufwies, wurde 2002 das größere Camp Delta gebaut. Statistiken zufolge wurden dort insgesamt 779 Gefangene ohne Prozess völkerrechtswidrig festgehalten und teilweise auch gefoltert. Camp Delta ist in weitere sieben Lager unterteilt: Gefangenenlager 1 bis 6 sowie das Camp Echo. In Lager fünf befinden sich kleine Isolationszellen, während Lager 6 aus Gemeinschaftszellen besteht. Lager 6 gilt als Hochsicherheitsgefängnis.

Bei Camp Echo handelt es sich um einen weiteren Anbau, das von der US-Militärpolizei überwacht wird. Angeblich sollen im Gegensatz zu Camp X-Ray Toiletten in den Zellen vorhanden sein und Gefangene dürfen mit ihren Anwälten sprechen.

3.3 Camp Iguana

In Camp Iguana wurden ursprünglich Kinder festgehalten, die in Afghanistan festgenommen wurden, wie an die Öffentlichkeit kam. Inzwischen befindet sich hier eine andere Klientel: Dort halten sich Gefangene auf, bei denen ihre Unschuld bereits von der US-Regierung anerkannt wurde. Jedoch gestaltet sich die Überführung in die Heimatländer der Insassen als schwierig, weil es kaum Staaten gibt, die die Häftlinge aufnehmen wollen.

4. Schließung des Lagers

Unter den Haftbedingungen gab es immer wieder Selbstmordversuche und vollendete Selbstmorde unter den Gefangenen. So wurde beispielsweise am 10. Juni 2006 bekannt, dass drei Häftlinge Suizid durch Erhängen begingen. Die Zustände in Guantanamo Bay sind damit zu erklären, dass die Inhaftierten nicht den Status als Kriegsgefangene haben, sondern als sogenannte „unlawful combatants“ (deutsch: ungesetzliche Kombattanten) gelten. Gegner des Lagers argumentieren, dass dieser Status nicht mit dem Völkerrecht und der Genfer Konvention vereinbar sei. Auch der Supreme Court, die oberste Gerichtsbehörde der USA, hat inzwischen ein Urteil gefällt, dass der Sonderstatus der Häftlinge von Guantanamo Bay gemäß der US-amerikanischen Verfassung nicht zulässig ist. Dennoch gestaltet sich auch die Strafverfolgung von Wärtern, die Menschenrechtsverletzungen nachweislich begangen haben, als schwierig.

Eines der zentralen Wahlversprechen von Barack Obama 2009 war dabei, das Lager zu schließen und die Häftlinge entweder in ihre Heimatländer, in sichere Drittländer oder auf US-amerikanischem Boden der offiziellen Justiz zuzuführen. Mit diesem Wahlversprechen scheiterte Obama zum einen am von den Republikanern dominierten Kongress, zudem stellte sich die Frage nach dem Verbleib der Häftlinge nach der Entlassung. Vom jetzigen US-Präsidenten Donald Trump ist bekannt, dass er Folter als Befragungsmethode und die Existenz von Guantanamo befürwortet. Neben Guantanamo existieren noch ähnliche Internierungslager. Hier sind „Bagram“ in Afghanistan und „Abu Ghuraib“ im Irak zu nennen.

5. Nach Guantanamo

Es sind inzwischen eine Reihe von Monographien erschienen, die sich mit dem Zustand der Häftlinge nach der Entlassung sowie mit den Verhältnissen im Lager selbst befassen. Zu nennen sind beispielsweise „Hier spricht Guantanamo“ (2006) des Journalisten Roger Willemsen oder „Das Guantanamo-Tagebuch“ (2015) des ehemals Inhaftierten Mauretaniers Mohamedou Ould Slahi. Willemsen hat fünf ehemalige Häftlinge besucht und sie und ihr Umfeld befragt. Er berichtet von gravierenden Persönlichkeitsveränderungen bei den ehemaligen Gefangenen, die in Teilen dem klinischen Krankheitsbild einer Posttraumatischen Belastungsstörung ähneln. Auch nach der Entlassung aus Guantanamo Bay bleiben die ehemals Inhaftierten psychisch und körperlich schwer angeschlagen.

Artikel erstmals erschienen am 23.Dezember 2017

Literatur und Auswahlbibliographie